Rumpf-Diagnose mit Ultraschall

Sachverständiger Oliver Franzius mit der tragbaren Prüfanlage. Mit dem Kopf wird hier ein Ruderblatt abgetastet.
Sachverständiger Oliver Franzius mit der tragbaren Prüfanlage. Mit dem Kopf wird hier ein Ruderblatt abgetastet.

 

Eine neuartige Methode zur Untersuchung von GFK-Yachten soll Schäden finden und Osmosegefährdung aufdecken. (Aus: "Yacht" 09/97)

Ein Graus mit Folgen: Das Anlegemanöver des gerade eingelaufenen Gaffelschoners geht gründlich in die Hose, und trotz hektischer Bremsversuche per Maschine rauschen mit immer noch zu viel zu viel Fahrt diverse Tonne Holz gegen die GFK-Yacht. Ein grausames ächzen und Knirschen durchzieht den Hafen; ein Glück nur, daß keine Personen verletzt wurden.

Nach den Schrecken die zunächst positive überraschung: Als die Skipper beider Yachten den Schaden besehen, finden die außer einigen Haarrisses an der Scheuerleiste - nichts!

Die Crew der gerammten Yacht ist verunsichert, Sie bringt das Schiff in einer Werft und läßt es begutachten. Die Meinungen der Experten gehen auseinander. Der eine sieht und spricht nur von den Haarrissen, der andere orakelt den Totalschaden herbei. Die Werft schlägt diverse Testbohrungen im Rumpf, an Deck und im Aufbau vor. Und andere wieder meinen, die Freibordfläche bis aufs Laminat abschleifen zu müssen...

Gibt es da keine Methoden für eine zerstörungsfreie Untersuchung möglicher Brüche im Laminat. Bislang nicht. Jetzt aber kam der Hamburger Bootsbaumeister und Sportboot-Sachverständige Oliver Franzius auf die Idee, in solchen Fällen Ultraschall einzusetzen, wie es bei Materialprüfungen im Metallbereich, an Windmühlenflügeln und Flugzeugteilen aus Faserverbundwerkstoffen schon lange üblich ist.

Prüfkopf des Ultraschallgerätes
Prüfkopf des Ultraschallgerätes

Franzius investierte als erster in ein tragbares Gerät, mit dem er die Substanz von Kunstoffrümpfen "durchleuchtet", ohne dabei Laminat oder Gelcoat zu schädigen. Was eine effektivere Begutachtung und Reparaturkostenschätzung als die aufwendigen Probebohrungen möglich machen soll. Die Untersuchungskosten richten sich nicht nach dem Wert der Yacht, sondern werden nach Aufwand berechnet.

Grafik des Prügerätes:
Die Ultraschallwellen werden von der Rückwand des gesunden Laminates reflektiert (2.Ausschlag v. links).
Sichtbar wird hier aber auch schon das Echo des Lufteinschlusses (ganz links). Das gesunde Laminat hat eine gemessene Stärke von 5,9 mm, angezeigt oben rechts

Der Sachverständige nutzt zur GFK-Prüfung die Eigenschaft von Ultraschallwellen, nur homogenes Material durchdringen zu können, von Luftschichten aber reflektiert zu werden. Setzt er den GFK-Prüfkopf auf einen Kunststoffrumpf, wandert der Schall durchs Laminat und wird dort reflektiert, wo Luftschichten es begrenzen. Das ist im Normalfall die Rückseite. Oder die Schallwellen treffen eben auf einlaminierte Hohlräume, kleine Lufteinschlüsse oder verdeckte Delaminationen. Dann verändern sich abrupt die Amplituden auf dem tragbaren Bildschirm und zeigen nur noch eine geringere Echotiefe an. In dieser Tiefe hat das Laminat dann nicht mehr seine erforderliche Homogenität.

Um aber die über den Bildschirm tanzenden Amplitudenausschläge interpretieren zu können, muß man den genauen Laminataufbau kennen und eine Menge von Faserverbund-Technologie verstehen.

Diese Fähigkeiten eignete sich Oliver Franzius über mehrere Jahre auf verschiedenen Werften an, unter anderem in Neuseeland. An künstlich fehlerhaft hergestellten Laminatproben schulte er seine Interpretationsfähigkeit und ist nun in der Lage, auch verschlierte, weiche Amplitudenausschläge intakter Sandwichlaminate von den Anzeichen mangelhafter Verklebungen des Kerns zu unterscheiden. Sein erster großer Erfolg: das Aufspüren ungewollter Lufteinschlüsse und mangelnder Harztränkung im Sandwichlaminat einer sechs Jahre alten GFK-Yacht, die zur Erneuerung der gesamten äußeren Laminatlagen führten.

Durch verschieben des Prüfkopf wird die Schadenfläche erfaßt.
Durch verschieben des Prüfkopfes wird die Schadenfläche erfaßt.

Aber nicht nur solchen spektakulären Schäden ist Franzius auf der Spur, sondern auch den mikroskopisch kleinen Lufteinschlüssen in den wasserbelasteten, ersten Lagen hinter dem Gelcoat im Unterwasserbereich, die bekanntlich zur gefürchteten Osmose führen. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind Untersuchungen an Riggteilen und Alu- und Kohlefasermasten, um Mikrosrisse aufzuzeigen, und schließlich wäre auch die Qualitätssicherung im Bootsbau von großer Bedeutung.

Hier wird die Delamination voll sichtbar. Das deutliche Ultraschallecho läßt die noch verbliebene Laminatstärke bis zum Lufteinschluß erkennen. Das Laminat über der Blase ist nur 2,5 mm stark.

Denkbar, so Dirk Brügge vom Germanischen Loyd, wäre weiterhin eine Nachzertifizierung von Gebrauchtbooten aus Drittländern, die ohne CE-Zeichen ab Juni 1998 nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen (siehe auch YACHT 2/97). Mit Hilfe von Schallmessungen könnte zerstörungsfrei nachgewiesen werden, daß das Schiff nach dem Stand der Technik gebaut ist.

(Autor und Fotos: Kai Greiser)